
Zurückliegende Projekte
Neue Schwerpunkte in der Autismus-Arbeit in M-V
Was können wir gemeinsam tun, damit sich Autisten wertgeschätzt und ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen können? Das ist die zentrale Frage, mit der sich die ehrenamtlichen Mitglieder des Landesverbandes Autismus M-V seit nunmehr 16 Jahren beschäftigen.
Als sich im Herbst 2009 sieben Familien mit autistischen Kindern aus den Selbsthilfegruppen Güstrow und Rostock zusammenfanden und den Landesverband Autismus gründeten, mussten sich Familien und Betroffene noch gegen Stigmatisierungen wehren - die heute teilweise überwunden sind. Seelische Gesundheit über die Lebensspanne hinweg gewinnt nun im Allgemeinen an Bedeutung. In Mecklenburg-Vorpommern stehen Betroffenen inzwischen Autismus-Therapie-Zentren und Beratungsstellen sowie weitere Fachkräfte und unterschiedliche Unterstützungsangebote zur Verfügung. Wenngleich es noch Wissenslücken gibt, ist Autismus für die meisten Menschen kein unbekanntes Wort mehr ist.
So verschieben sich die Schwerpunkte in der Autismus-Arbeit. Neue Fragestellungen und Herausforderungen haben sich auch durch die Forschung gestellt. Was bedeutet das für das ehrenamtliche Wirken des Landesverbandes 16 Jahre nach seiner Gründung? Worauf legen wir den Fokus? Wofür sollen wir uns einsetzen? Was können wir tun für Menschen im Autismus-Spektrum und deren Familien? Diese Fragen hat der Landesverband gemeinsam mit Betroffenen, Verbandsmitgliedern, Fachleuten und jenen, die beruflich mit dem Thema Autismus Berührungspunkte haben, während der zweitägigen Zukunftskonferenz im November 2024 diskutiert.
Zukunftskonferenz – Konferenz für die Zukunft
Nahezu jährlich organisiert der Landesverband Fachtagungen zu verschiedenen Themen. Neu für den Verband war es nun, eine Fachtagung auf ganze zwei Tage auszubreiten. Eine Konferenz in dieser Größenordnung und auf einem solch professionellem Niveau zu organisieren, hat uns zwar vor Herausforderungen gestellt. Das Feedback unserer Teilnehmer ist jedoch durchgängig sehr gut. Sowohl unsere Gäste als auch wir als Veranstalter haben sehr viel Input aus diesen zwei Tagen mitgenommen. Der Einsatz hat sich gelohnt, ist Rosita Mewis, Vorsitzende des Landesverbandes, im Nachgang überzeugt: „Die Breite des Spektrums war aus unserer Sicht als Zäsur unserer Vereinstätigkeit gut. Auch die meisten Teilnehmer haben uns genau das als sehr wertvoll zurückgespiegelt. Denn dadurch kamen gute Diskussionen zustande und es entstanden fruchtbare sowie streitbare Dialoge unter jeweils anderen Gesichtspunkten.“
Auf der Basis vielfältiger kurzer Impulsvorträge von Autisten und anderen Fachleuten aus Diagnostik, Therapie und Forschung wurde in mehreren thematischen Arbeitsgruppen eine Ist-Analyse in M-V skizziert. Gab es im Jahr 2009 nur zwei Autismus-Therapie-Zentren für ganz M-V, so gibt es heute mehrere Stellen mit der entsprechenden Kompetenz. Zudem existieren heute wesentlich mehr Selbsthilfegruppen. Grundsätzlich beschäftigen sich immer mehr Menschen mit dem Thema Autismus – auch beruflich.
Aktuelle Herausforderungen erkennen und Arbeitsfokus setzen
Und die Visionen für die Zukunft? Es gibt noch viel zu tun.
Denn:
- Nicht sichtbare Behinderungen werden allgemein noch viel zu wenig bis gar nicht ernst genommen – auch in Verwaltungen („Nun reißen Sie sich mal zusammen“).
- Barrieren müssen identifiziert werden.
- Der inklusive Gedanken muss in der Realität bereits im Kindesalter gelebt werden.
- Die Diskriminierung von Autisten muss thematisiert werden.
- Jedes Individuum sollte sich auf einen individuellen Weg einlassen.
- Es sind für Verbesserungen nicht immer nur mehr Gelder notwendig. Viel kann bereits über Aufklärung, Schulungen (z.B. im medizinischen Bereich, um Besonderheiten bei Mädchen und Frauen zu beachten) und geeignete Kommunikation (Werkzeuge der Unterstützten Kommunikation) erreicht werden.
- Autisten werden zu oft noch in Schubladen gesteckt. Stattdessen sollte die Vielfalt autistischer Menschen beachtet werden.
Um die Besprechung dieser und anderer Aspekte in breiter Themenvielfalt zu erreichen, hat sich der Landesverband auf ein kleines Experiment eingelassen. Mit der open-space-Methode. Das ist ein Konferenzformat, um innerhalb von kurzer Zeit komplexe Fragestellungen in kleinen Gruppen zu bearbeiten und zu handlungsorientierten Ergebnissen zu kommen. Ausnahmslos jeder hat dabei die Möglichkeit, seine Themen und Fragen einzubringen.
Rosita Mewis: „Sicherlich waren wir anfangs unsicher, ob dieses Konferenzformat von unseren Teilnehmenden gut angenommen wird. Doch wir wurden schnell in unserer Entscheidung bestätigt.“
Zusätzlich zu den Vorträgen und Dialogkreisen wurde die Konferenz durch Informationstische ergänzt: Neben dem Landesverband bot der Verein Qube praktische Beispiele zur Barrierefreiheit für nicht sichtbare Beeinträchtigungen. Zudem eröffneten wir eine Ausstellung, die mit persönlichen Porträts die Vielfalt und das Spektrum von Menschen mit Autismus individuell aufzeigt. Diese werden wir als Wanderausstellung anlässlich des Weltautismustages im Rathaus Bad Doberan der Öffentlichkeit präsentieren. Ein Büchertisch von Hugendubel rundete das Angebot ab.
Arbeitsfokus für die kommenden Jahre
Insgesamt hat die Zukunftskonferenz dank ihrer breiten thematischen Aufstellung sehr viele Anregungen für die künftige Tätigkeit, zahlreiche konkrete Fortbildungsvorschläge gezielt für einzelne Berufsgruppen, Informationswünsche und Kooperationsvorschläge hervorgebracht.
Darüber hinaus haben wir die zahlreichen angesprochenen und besprochenen Themen für uns und unsere künftige Arbeit in folgende fünf Themenblöcke zusammengefasst:
- Diagnostik
- Wartezeiten für Diagnosestellung und therapeutische Versorgung verkürzen (aktuell bis zu zwei Jahre mit mehreren Terminen im Zeitverlauf, weil es sonst nicht kostendeckend möglich ist)
- Menschen mit Intelligenzminderung (IM) und Autismus/Mehrfachbehinderung mehr in den Fokus nehmen.
- Diagnostik-Instrumente auf Erwachsene mit IM anpassen.
- Sensibilisierung im Kinder- und Jugendbereich für die Bedürfnisse von autistischen Kindern.
- Anträge auf Eingliederungshilfe (Autismus-Therapie oder Assistenz ) schneller bearbeiten (aktuell 1-1,5 Jahre, weil der Teilhabebedarf durch den Amtsarzt noch einmal geprüft wird). Hier stellt sich die Frage: Warum darf das Amt nicht mit den Teilhabebedürftigen im Rahmen des ITP und seinen extra erarbeiteten Messinstrumenten selbst entscheiden?
- Variablere Untersuchungsumgebung zum Beispiel in Kliniken schaffen.
- Therapeutische Versorgung
Es gibt nach wie vor große Unsicherheiten im Umgang mit Autismus. Auch das bedingt die langen Wartezeiten in der therapeutischen Versorgung. Gezielte Weiterbildungen für Therapeuten (Psychologen, Ergotherapeuten, Familientherapeuten u.a.) sind notwendig, um die Zahl der fachkompetenten Therapieangebote zu erhöhen.
Zu beachten ist:
- Umgang mit Mädchen und Frauen anpassen (Masking, Synästhenie, mehr Zeit und Ruhe in Gesprächen)
- Niedrigschwellige, praxisnahe Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen
- Erweiterung der Kommunikationspalette – Schulungen
- Flexible Gesprächsformate in der Verwaltung
- Breite und Vielfalt des Spektrums sowie Komorbiditäten beachten.
- Kita
Kinder im Autismus-Spektrum werden überdurchschnittlich häufig von Kitas abgelehnt. Begründung: zu wenig Personal und Überforderung.
- Schnellere Diagnosestellung – Eltern ernster nehmen.
- Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs des Kindes individueller gestalten.
- Mehr Transparenz und Weiterbildung im Umgang mit kulturellen Unterschieden, Sprachbarrieren abbauen.
- Feste Bezugspersonen, klare Regeln
- Erweiterung bzw. Ausschöpfen des Methodenkorbes
Als Diskussionsthema bleibt auch: I-Helfer einzelner Kinder vs. feste I-Helfer für eine bzw. innerhalb einer Kitagruppe (dieses Thema gilt auch für Schulen)?
- Schule, Ausbildung, Studium
Generell sollte es variablere Ausbildungs- und Abschlussmöglichkeiten geben – die Inklusion läuft sehr langsam und bürokratisch.
Hauptziele in Schule und Ausbildung sollten sein:
- Eine autismusfreundliche Schule/Hochschule, die aus dem Sichtbarmachen und Umsetzen von Projekten wie zum Beispiel schAUT resultieren und letztlich allen Schülern zugutekommen.
- Mehr Aufklärung zum Thema und zum Umgang mit Autismus.
- Variable Klassengrößen und Möglichkeiten zu individuellem Nachteilsausgleich bei Bedarf.
- Pädagoge plus heilpädagogische Fachkraft als Standard in inklusiven Klassen.
- Das Nutzen von Hausbeschulung erleichtern.
- Weiterführende Hilfen nach der Schule, auch zur Berufsorientierung
- Behindertenbeauftragte/Gleichstellungsbeauftragte an Hoch- und Fachschulen/Unis müssen bei bestehender Diagnose notwendige Nachteilausgleiche ernst nehmen und Studenten müssen darum kämpfen.
- Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Kostenträger.
- Landesprüfungsamt muss Diagnosen und angeratenen Nachteilsausgleichen anerkennen.
- Doppelten Stress für Betroffene vermeiden, zum Beispiel bei IHK und Handelskammer, die zum Teil doppelte Nachweise verlangen, obwohl bereits im Prüfungsantrag auf notwendigen Nachteilausgleich hingewiesen wird.
Wichtiger Aspekt: Bei Übergängen Zeit für individuelles Nachreifen ermöglichen – Schulung in Kommunikation unbedingt erweitern.
- Wohnen
Angebote hängen vom „Good-Will“ der Träger ab und werden nicht ausreichend von Leistungsträgern am Bedarf orientiert getragen.
Was es braucht:
- Mehr offene Angebote.
- Mehr konzeptionelles Denken im Sinne der Bewohner.
- Prozesse durchhalten!
- Möglichkeiten des Bezugsbetreuersystem in Wohneinrichtungen muss stärker als wesentliches Instrument im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten und als Kontaktbasis zu Eltern erkannt werden (möglichst mit einheitlichem Vorgehen mit genauen Absprachen).
- Vorrangig nicht die Pflege im Fokus haben, sondern Eingliederungshilfe gleichberechtigt bewerten. Hintergrund: der „Deutsche Landkreistag“ schlägt in einem Beschluss vom Mai 2024 zur Weiterentwicklung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) im Gegensatz zum bestehenden SGB XI die Aufhebung des gesetzlichen Gleichklangs von Eingliederungshilfe und Pflege vor. Pflege soll wegen einer durch das BTHG erfolgten neuen Ausgabendynamik Vorrang bekommen. Das aber würde gerade bei jungen, nicht pflegebedürftigen Autisten zu einem Hintenanstellen ihrer Bedarfe führen.
Fazit: Wir alle haben schon vieles erreicht. Es gibt aber immer noch Vieles, das erreicht werden muss.
Danksagung
Ein großes Danke gilt der Stadt Stralsund, da wir unsere Zukunftskonferenz im ehrwürdigen Rathaus veranstalten durften. Dem Bundesverband Autismus danken wir, dass er durch seinen Fachreferenten Fabian Diekmann vertreten war. Und zu guter Letzt danken wir allen Referenten und allen Teilnehmenden, denn sie haben unsere Zukunftskonferenz zu einer tollen Plattform für Austausch, Diskussion und neue Netzwerke gemacht.
- Tag der offenen Tür "Gemeinsames Haus e.V." am 14.09.2022
Nach langer Zeit und für unseren Verein das erste Mal öffneten sich die Türen des Gemeinsamen Hauses für Besucher. Wir führten mit Gästen in unseren Räumen und draußen im Garten interessante, anregende Gespräche. Besucher konnten sich umschauen und erhielten einen Einblick in die Arbeit unseres Vereines und unserer Beratungsstelle.
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Der Spendentrichter aus dem WEMAG-Crowdfunding ist da!
Im November/Dezember 2020 fand das erfolgreiche WEMAG-Crowdfunding zur Anschaffung unseres eigenen Spendentrichters statt. Nochmals vielen Dank an alle, die gespendet und diese Aktion weitergetragen haben! Im August 2021 haben wir den Spendentrichter angeschafft! Hier ein kleiner Eindruck mit dem ersten Spender, Felix Glawaty.
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Ergebnis unseres Wemag-Crowdfunding (09.11.2020-23.12.2020)
Zusammen kamen 2.758,0 € von 54 Spendern! Darüber freuen wir uns sehr! Vielen Dank an alle, die gespendet und diese Aktion weitergetragen haben!
Wir erlebten einen so großen Ansturm an Spendengeldern, dass unsere geplante Spendensumme schon nach wenigen Tagen erreicht war. Somit steht fest, dass uns zukünftig zumindest ein eigener Spendentrichter zur Verfügung steht. Dieser kann künftig ein finanzielles Standbein für unsere Arbeit in der Beratungsstelle und den damit verbundenen Projekten bilden.
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Tag der Vielfalt am 28.05.2020 in Bad Doberan
- 30. Oktober: Fachtagung "Sensorische Besonderheiten bei Menschen mit Autismus" - Hotel Sportforum Rostock Flyer
- 24. Oktober: Thementag "Autismus – Herausforderungen annehmen? Was denn sonst!" - Landkreis Ludwigslust-Parchim Flyer
- 08. Mai: Vortrag "Geschwister autistischer Kinder: (k)ein Leben im Schatten(!)?" - Inez Maus, Latücht Neubrandenburg Flyer
- 20. März: Ärztetagung "Autistisches Verhalten aus neurobiologischer Sicht" - Prof. Dr. Dr. Roth, Hotel Sportforum Rostock Flyer
- 11. November: Buchlesung "Bastis Welt" - Frau Rehbein, Schwaan
- 18. Oktober: Veranstaltung "Die Filter sind immer offen" - Boddenhus Greifswald Flyer
- 05. April: Veranstaltung "Welt-Autismus-Tag" - Schleswig-Holstein-Haus Schwerin Flyer
- 07. Oktober: 5. Autismustag - Liwu Rostock
Die fachlichen Informationen innerhalb des interaktiven Vortrags von AuJa bettete Herr Döhler in eine sehr aufgelockerte Atmosphäre ein. Die spielerischen Mittel aus der Theaterpädagogik lösten schnell Hemmungen und führten die Teilnehmer über die Interaktion zu AHA-Erlebnissen. Als Veranstalter erhielten wir sehr positive Rückmeldungen, verbunden mit dem Wunsch nach einer Fortsetzung und Vertiefung. Besonders für Erzieher in Kindergärten und Heilerziehungspfleger halten wir dieses Weiterbildungsangebot für sehr wertvoll, da es gängige Lehrinhalte unkonventionell ergänzt.
Sehr empfehlenswert für Schulklassen ist der östereichische Film Das Pferd auf dem Balkon - humorvoll und einfühlsam wird das Thema "Anders-Sein" und Toleranz kindgemäß verarbeitet - es war schön zu erleben, wie drei Schulklassen der 6. Klasse auf die unterschiedlichen Filmsituationen laut lachend reagierten und im nächsten Moment emotional tief berührt mucksmäuschenstill wurden.
- 22. Februar: Fachtagung Autismus: "Wenn Ihr erkennt, wie ich fühle, kann ich mich entwickeln!" - Hotel Sportforum Rostock Flyer